Die größten Blockbuster, die schönsten Liebesfilme, die spannendsten Thriller, die schrägsten Komödien, die bewegendsten Dramen – man kann ein Best-of-Buch über Spielfilme auf unterschiedlichste Arten aufbauen.

Wenn es nach den Regeln einschlägiger Medien und der Studios geht, dürften hier nur Sensationen, also die an der Kinokasse profitabelsten Filme aufgezählt werden, denn sie bedienen auf den ersten Blick den breiten Publikumsgeschmack und wären demnach für die meisten Kinogänger die heißesten Kandidaten. Aber wer einen genaueren Blick in die Filmgeschichte wirft, wird schnell feststellen, dass die Verkaufszahlen von Kinotickets allein oft in eine ganz falsche Richtung führen, wenn man sich auf die Spur der besten Filme aller Zeiten begibt.
Mehrere Wochen auf Platz Eins der Kinocharts zu stehen, bedeutet nicht automatisch auch Qualität. In vielen Fällen geht der große Kinoerfolg mit einem künstlich erzeugten Hype einher, der ausschließlich in der Zeit vor und während des Filmstarts funktioniert. Hier lohnt es sich, den Film mit einigen Jahren Abstand zu betrachten und zu überprüfen, ob er sich im Umfeld der Klassiker und mittlerweile neu hinzugekommenen Filme nach wie vor behaupten kann. Darüber hinaus wurden viele Spielfilme ab den 1980er Jahren erst auf Video, dann auf DVD, Blu-ray und Video-on-Demand zu Erfolgen, was sich in der öffentlichen Wahrnehmung und vor allem in den, von vielen als Maßstab angenommenen Kinostatistiken oft ganz anders darstellt. Heutige Klassiker und Kultfilme, wie zum Beispiel Metropolis oder Blade Runner spielten zu ihrer Zeit nicht einmal ihre Produktionskosten ein.
Den entgegengesetzten Pol stellen Filme dar, die von den Feuilletons bejubelt werden, jedoch vom Verkaufserfolg der echten Kassenschlager Lichtjahre entfernt bleiben. Sollen sie deshalb nur einen flüchtigen Platz in der Filmgeschichte einnehmen, einen Platz, den sie genauso schnell wieder räumen müssen wie den Kinosaal für den nächsten Blockbuster?
Natürlich nicht, aber es wäre auch falsch, sich jetzt blind auf die Seite der vermeintlich schwachen Arthousefilme zu schlagen und die Lanze ohne Prüfung für jedes Werk zu brechen, das das Siegel „Anspruch“ trägt. Denn auch in dieser Kategorie gibt es natürlich Filme, die dem durchschnittlichen Kinokonsumenten zwei quälend langweilige Kinostunden bereiten, aus denen er genauso wenig Erkenntnis mit nach Hause nimmt, wie der Cineast aus einem Publikumsmagneten, der in seinen Augen an Seichtigkeit kaum zu unterbieten ist.

From the roots
Dieses Buch möchte den Versuch unternehmen, die Perlen sowohl aus dem kommerziellen, als auch dem künstlerisch anspruchsvollen Bereich zu picken und zusammen in eine Schale zu werfen.
Der Autor bringt alle Voraussetzungen mit, die es braucht, um diesen Spagat zu schaffen. Er wuchs in einem Elternhaus auf, das nicht müde wurde, sich zum Bildungsbürgertum zu bekennen. Bis zu seinem 16. Geburtstag hatte er alle Filme der Nouvelle Vague und des italienischen Neorealismus gesehen. Über die großen Hollywoodfilme jener Zeit, hauptsächlich Katastrophen-, Action- oder Science Fictionfilme, führte er in jungen Jahren eine geheime Liste, die er mit dem Besitz des ersten eigenen Fernsehers samt Zuspieler systematisch abzuarbeiten begann. Das Anspruchsdenken und der kritische Blick blieben, auch wenn er sich mittlerweile ohne schlechtes Gewissen und mit vollem Genuss eine derbe Komödie oder einen krawalligen Actionfilm reinziehen kann.
Die Begeisterung des Autors für den Spielfilm hat sich schließlich auch beruflich niedergeschlagen. Nach einem Animationsfilmstudium und der Produktion von knapp einem Dutzend Kurzfilmen, die auf Festivals und im TV international Erfolge feierten, arbeitete er als Produktionsassistent, Kameramann, Cutter, Animator, Drehbuchautor und Regisseur in der Film- und TV-Branche. Bevor er 1996 seine eigene Filmproduktionsfirma gründete, verbrachte er im Dunstkreis Hollywoods knapp ein Jahr in Los Angeles.

Um zu verstehen, wie ein gut gemachter Film funktioniert, lernt man während des Studiums Filme analytisch zu betrachten und sie auf eine stimmige Struktur hin zu überprüfen. Schon bald beginnt man, die Unterteilung in die verschiedenen Akte zu erkennen. Dann den für die weitere Handlung so wichtigen Plotpoint in Minute 23. Man klopft die Charaktere daraufhin ab, ob sie stimmig sind und vor allem, ob ihr Schicksal und ihre Geschichte sich dazu eignen, den Zuschauer mitzureißen. All diese Aspekte gehen irgendwann in Fleisch und Blut über und führen dazu, das Geheimnis jedes Filmes zu entschlüsseln und zu begreifen, warum die Zuschauer links oder rechts neben einem gebannt auf die Leinwand starrten, mitfiebern, lachen – oder einfach nur gelangweilt auf den Kinositzen hin und her rutschen.
Es gibt also tatsächlich objektive Kriterien, um die Qualität eines Spielfilmes zu beurteilen und die meisten davon verbergen sich im Drehbuch, der Basis jedes Films. Wurden hier Fehler gemacht oder wichtige Gedanken nicht zu Ende gedacht, Charaktere nicht durchentwickelt und Erzählstränge nicht konsequent zu Ende geführt, ist bei der eigentlichen Produktion des Films meist nichts mehr zu retten. Und das passiert weit öfter, als man glauben mag, was vor allem bei Fachleuten immer wieder ungläubiges Kopfschütteln hervorruft. Denn es kommt einer Geldvernichtung mit Ansage gleich.
Dieser klar belegbare Umstand darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass es, unter Heranziehung der gerade beschriebenen Kriterien, auch schlechte Filme gibt, die beim Publikum gut ankommen. Besagte Werke finden sich vor allem in den Sparten Komödie oder Actionfilm wieder und können durch üppige Schauwerte oder beliebte Hauptdarsteller ausnahmsweise Schwächen im Drehbuch wettmachen. In manchen Fällen ist das sogar Kalkül. Doch selbst erfahrenen Studios passiert es, trotz bahnbrechender Effekte und charismatischer Stars einen 200 Millionen Dollar Flop verbuchen zu müssen. Oft ist ein zu Tode überarbeitetes Drehbuch daran schuld. Und das Studio selbst, welches mit einer Armada aus sogenannten Re-writern eigentlich auf Nummer sicher gehen wollte, aber der Geschichte im Laufe dieses schier endlosen Prozesses die Seele geraubt hat.
Natürlich sind noch unzählige weitere Faktoren für das Gelingen eines Filmes verantwortlich: ein ausgeklügeltes Casting, also die Auswahl der Darsteller – und hier ist nicht nur von zugkräftigen Namen für die Hauptrollen die Rede, sondern auch von einer geschickten Besetzung der Nebenrollen; dann die Kameraführung, deren Bilder wiederum stark von einer sorgfältig konzipierten Ausstattung, gut gewählten Kostümen, einer perfekten Maske und professionell gestylten Haaren abhängig sind; schließlich Schnitt, Color Grading, Tonmischung und Musik. Ganz zu schweigen von den visuellen Effekten, ob sie nun deutlich sichtbar in den Vordergrund gerückt und sogar zur Vermarktung des Filmes eingesetzt werden, oder als solche gar nicht wahrgenommen wichtige Details in der Ausstattung oder Maske ergänzen; und – logisch – eine durchdachte und feinsinnige Regie, die alle oben genannten Bereiche und noch unzählige weitere Faktoren sinnvoll in Einklang bringt.

Warum Top 1500 ?
Im Web und auf dem Buchmarkt gibt es regelmäßig Veröffentlichungen, die die 10, 100 oder 1000 besten Spielfilme aller Zeiten benennen. 1000 ist eine eingängige, 1001 ein magische Zahl. Aber beide greifen zu kurz, wenn man davon ausgeht, dass der Spielfilm seit etwa 100 Jahren lebt und pro Jahr mindestens 15 außergewöhnliche Spielfilme auf den Markt kommen. Auffallend ist bei den bestehenden Listen auch die große Anzahl der nordamerikanischen Filme. Das hat sicherlich seine Berechtigung – Hollywood produziert nun mal publikumswirksame Werke, auch ich lasse mich davon permanent verführen. Es spiegelt aber einmal mehr die erdrückende Macht dieser, mit schier grenzenlosen Marketingbudgets ausgestatteten Filmindustrie an der amerikanischen Westküste wieder.
By the way: Ist dem geneigten Zuschauer schon mal aufgefallen, dass erstaunlich viele Hollywoodfilme auch tatsächlich in Los Angeles spielen? So, als sei L.A. der Nabel oder gar die Hauptstadt der Welt? Nein, das ist L.A. natürlich nicht. Es ist einfach nur bequem, direkt vor der Haustür zu drehen. Das ist nur eines von vielen Beispielen, welches zeigt, dass man Augen, Ohren, Herz und Verstand auch für Filme aus anderen Herkunftsquellen offen halten sollte.
Wie bereits in der Einleitung angedeutet, muss man sich vor Augen führen, dass es in der europäischen, speziell deutschen Filmlandschaft viele bewegende Filme gibt, die aufgrund bescheidener Werbemaßnahmen und absurd kurzer Kinoauswertungen gar keine Chance haben, sich einem größeren Publikumskreis zu erschließen. Die interessantesten davon mit in die Bestenliste aufzunehmen und gleichwertig neben den arrivierten Werken zu platzieren, ist ein weiterer Anspruch dieses Buches.

Im krassen Gegensatz zu dieser Maßnahme werden auch einige überaus kommerzielle Filme mit aufgenommen, die für sich alleine genommen vielleicht nicht unbedingt eine Platzierung neben den Schwergewichten der Filmgeschichte verdient hätten, jedoch innerhalb ihres Genres eine so deutlich stilbildende Rolle einnehmen, dass man an ihnen in der Gesamtbetrachtung nicht vorbei kommt.

Betrachtet man die Vergleichslisten im Web, fällt auf, dass die Platzierung der Filme sehr stark variiert. Für den Kenner der Materie ist sofort ersichtlich, welche Bestenlisten von Kritikern erstellt wurden und welche vorwiegend auf Bewertungen des Publikums beruhen – der alte Zwiespalt zwischen Anspruch und Kommerz also: das Publikum scheint eher leichte Kost zu bevorzugen, während das Feuilleton den Zuschauer beharrlich zu einem besseren Menschen erziehen will. Nicht nur deswegen habe ich mich entschlossen, im vorliegenden Buch selbst kein Ranking vorzunehmen. Eine konkrete Rangliste, so wie sie andere definieren, halte ich in Anbetracht der Vielzahl an Genres, unterschiedlichen Intentionen, Produktionsbedingungen und Entstehungszeiten der Filme sogar für vermessen und unseriös.

Reduce to the Max
Die Internet Movie Database IMDb verzeichnet Mitte 2016 etwa 350000 Einträge für Spielfilme. Das Lexikon des internationalen Films bespricht in seinen jährlich erscheinenden Ergänzungsbänden im Schnitt 2000 neue Titel. Wer diese Zahlen liest, wird sofort verstehen, dass man einen übersichtlichen Leitfaden braucht, wenn man sich auf die Spur der besten Filme aller Zeiten begeben will. Top 1500 Movies ist deshalb bewusst puristisch gehalten und möchte so das Augenmerk auf das Wesentliche lenken und dabei schlank bleiben. Das Wesentliche sind die Filmtitel und die Regisseure, die Hauptdarsteller, die Entstehungszeit der Filme und die Genres, denen sie zugeordnet werden. Jedem dieser fünf Themen ist ein umfangreiches Kapitel gewidmet. Als Bonusmaterial zeigen die abschließenden Kapitel auf, welche Filme auf wahren Ereignissen beruhen und stellen die wichtigsten Filmbiografien, Episodenfilme, Musikfilme und Animationsfilme vor.

Zum Schluss möchte ich dann doch meine kategorische Ablehnung eines Rankings zumindest so weit aufweichen, indem ich für das Finale dieses Buches eine Top 150 der besten Spielfilme aller Zeiten verspreche. Diese Top 150 sind, zugegebenermaßen, meine ganz persönlichen Favoriten und orientieren sich tendenziell an den Sehgewohnheiten der letzten drei Jahrzehnte, ohne dabei die Meisterwerke der frühen Kinojahre außer Acht zu lassen. Wer die Auswahl aufmerksam studiert, wird feststellen, dass hier eine etwas andere Gewichtung vorgenommen wird, als in den Top 1500. Ich hoffe, dass dies auch oder gerade in den Augen derer, die der Auswahl der Top 150 nicht in allen Punkten zustimmen, für die Ausgewogenheit der Top 1500 spricht.

(Aus dem Vorwort im Buch)

Top 1500 Movies - Die besten Spielfilme aller Zeiten von Nicolas Rutschmann, jetzt als Taschenbuch, Hardcover und e-Book, 380 Seiten.